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Plenarsitzung

Transkript

Tobias Krull (CDU):

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gebe zu, als Frau von Angern mit ihrer Rede begonnen hat, dachte ich, ich bin im Tagesordnungspunkt verrutscht und wir sind schon beim Kommunalverfassungsgesetz. 

(Zustimmung bei der FDP)

Wenn es heißt, dass die Kommunen nicht finanziert werden oder schlecht finanziert werden, dann muss ich dazu sagen: Wir haben in dem Finanzausgleichsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt eine Finanzausgleichsmasse in Höhe von mehr als 2,1 Milliarden € festgelegt - ein Betrag in einer Höhe, wie wir sie noch nie hatten. 

(Zustimmung bei der FDP)

Hinzu kommen zusätzliche Leistungsgesetze wie das Kinderförderungsgesetz, mit denen das Land in eine kommunale Pflichtaufgabe rund 500 Millionen € investiert. Man sieht also: Das Land lässt die Kommunen an dieser Stelle finanziell nicht im Regen stehen. 

(Zustimmung bei der FDP)

Wenn wir uns mit dem Thema Armut tatsächlich beschäftigen wollen - es ist ja nicht das erste Mal, dass wir das hier im Hohen Hause tun  , dann, glaube ich, müssen wir uns erst einmal darüber verständigen, wie wir Armut definieren. 

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Geht es bei Armut darum, dass die Existenz bedroht ist, weil die Befriedigung von Grundbedürfnissen, wie Nahrung, nicht sichergestellt werden kann, wie es in Teilen unserer Welt leider vorkommt, oder geht es um die fehlenden Möglichkeiten von Teilhabe, also um Chancenarmut? - In Deutschland sprechen wir grundsätzlich von dem zweiten Bereich. 

Wenn uns als Union vorgehalten wird, wir würden die Gesellschaft spalten, weil wir das Bürgergeld in seiner heutigen Form infrage stellen, dann ist das viel mehr als nur eine Unterstellung. Die Antragsteller betreiben hier Spaltung, wenn sie versuchen, die Menschen durch falsche Argumente gegen die letzte verbliebene Volkspartei in Stellung zu bringen. 

Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Selbstverständlich muss den Menschen geholfen werden, die es nicht allein schaffen, ihre Situation zu verbessern. Das bedeutet eine zielgerichtete Unterstützung derjenigen, die diese Hilfe brauchen; es bedeutet aber nicht, dass man einfach nur Sozialleistungen auskehrt, ohne die jeweiligen Umstände, die vorhandenen Bedarfe und die Leistungsfähigkeit der hilfesuchenden Personen zu beachten. Es geht um die persönlichen Umstände, die jeweils zu berücksichtigen sind. 

Inzwischen scheint es auch bei den Partnern der Ampelkoalition im Bund massive Zweifel daran zu geben, ob das Bürgergeld noch zeitgemäß ist. Das ist zumindest nach den Äußerungen einiger FDP-Vertreterinnen und -Vertreter und nach dem vorliegenden Papier mein Eindruck. 

Um eine dauerhafte Leistungsfähigkeit des Sozialstaates sicherzustellen, darf und muss man die Frage stellen, ob die öffentlichen Mittel zielgerichtet ausgegeben werden. Für uns als Union gilt der Grundsatz von Fördern und Fordern. Es darf und muss verlangt werden, dass diejenigen, die Sozialleistungen erhalten, auch einen persönlichen Beitrag dazu leisten, nach eigenen Möglichkeiten und aus dem eigenen Einkommen ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. 

(Unruhe)

In diesem Sinne hat die CDU im Bund auch ein Konzept für eine neue Grundsicherung vorgestellt. Die Grundinhalte möchte ich an dieser Stelle einmal etwas ausführlicher erläutern, weil es darüber viele Gerüchte gibt: 

•    ein neuer Name, der klarstellt, dass es sich bei dieser Sozialleistung nicht um ein verstecktes, bedingungsloses Grundeinkommen handelt; 

•    die Anpassung der Zuverdienstregelungen, damit die Arbeitsaufnahme noch attraktiver wird; 

•    die Vermittlung, der Arbeit Priorität einzuräumen; 

•    durch die Automatisierung und Digitalisierung im Sinne aller Beteiligten die Prozesse zu verbessern und zu erleichtern; 

•    die Integration von Menschen in unserem Land durch die Aufnahme von Arbeit zu fördern; 

•    die Sanktionsmöglichkeiten auszubauen, um deutlich zu machen, dass die Nichtannahme eines Arbeitsangebots selbstverständlich Konsequenzen hat;

(Unruhe)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Herr Krull, einen ganz kurzen Moment, bitte. Ich würde Ihnen gern ein bisschen Unterstützung zukommen lassen; denn die Gespräche kommen mir irgendwie ziemlich laut vor.

(Kristin Heiß, Die Linke: Ach schön! Vorhin wurde viel lauter erzählt! - Hendrik Lange, Die Linke: Aber bei Frau von Angern war es nicht nötig! - Henriette Quade, Die Linke: Interessant!)


Tobias Krull (CDU):

•    die Wahrnehmung von Terminen stärker als Grundvoraussetzung für den Bezug von Sozialleistungen zu etablieren; 

•    die Hilfe auf die zu konzentrieren, die sie tatsächlich brauchen; 

•    durch verbesserten Datenaustausch zwischen den unterschiedlichen Behörden, den Sozialbetrug deutlich zu erschweren; 

•    die Anpassungsmodalitäten für die Höhe der Sozialleistungen so anzupassen, dass größere Sprünge vermieden werden, auch im Sinne der Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfänger, um die Zeiten der faktischen Unterfinanzierung möglichst kurz zu halten und nicht zuletzt 

•    die Überlegung, wie die Struktur von Sozialleistungen zukünftig neu aufgestellt wird, um unnötige Wege und um aufwändige Bürokratie zu vermeiden. 

Es ist auch legitim, die Frage zu stellen, warum die Arbeitsaufnahme von Menschen aus der Ukraine, die wegen des völkerrechtswidrigen Angriffs Russlands zu uns gekommen sind, in anderen europäischen Ländern offensichtlich besser gelingt als in Deutschland.

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, unser Land wird neben der Qualifizierung von Menschen, die bereits hier leben, zur Deckung des Fachkräftebedarfs auch auf Zuwanderung angewiesen sein. Es gilt, deutlich zu machen, dass wir ein weltoffenes Land sind, in dem die Menschen nicht nur Arbeitsplätze finden, sondern auch Heimat für sich und ihre Familien und in dem sie eine Willkommenskultur erleben, die auch im Alltag gelebt wird. Aber hierbei sprechen wir über Zuwanderung von benötigten Fachkräften. 

Wer Schutz vor Verfolgung und Krieg sucht, der soll diesen auch finden. Gerade die deutsche Geschichte hat die wenigen Mütter und die vielen Väter dazu bewogen, entsprechende Regelungen in das Grundgesetz aufzunehmen. Es gibt aber auch Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit. Wer diese ignoriert, der hilft auf Dauer nicht den Menschen, die nach Deutschland kommen, sondern der erschwert die Integration und der macht sie sogar teilweise unmöglich. 

Die auf europäischer Ebene gefundenen Regelungen müssen in die Realität umgesetzt werden. Seit vielen Jahren existiert das Netzwerk gegen Kinderarmut, dem auch meine Fraktion angehört. Nicht alle, die sich dort engagieren, sind sich über die Mittel einig, die notwendig sind, um das gemeinsame Ziel, nämlich dass   a l l e   Kinder eine vergleichbare Startchance in ein selbstbestimmtes Leben haben, zu erreichen. Aber das macht doch den demokratischen Diskurs an dieser Stelle aus. Es muss uns daran gelegen sein, dass die Jüngsten unserer Gesellschaft einen bestmöglichen Start in das Leben haben. 

(Zustimmung von Sven Rosomkiewicz, CDU)

Es gibt zahlreiche private Initiativen. Beispielhaft sei die Schulranzenaktion genannt, die z. B. von den Serviceclubs in Magdeburg durchgeführt wird. Wer in letzter Zeit einmal einen Abc-Schützen ausgestattet hat, der weiß, welche Kosten dafür auflaufen können. In diesem Sinne vielen Dank für ein solches privates Engagement. 

In Sachsen-Anhalt hat sich im November des letzten Jahres eine Armutskonferenz gegründet. Die dort aktiven Vereine, Verbände und Organisationen wollen Vorschläge und Ideen entwickeln und auch deren Umsetzung auf den Weg bringen mit dem Ziel, die Armut in unserem Land zu bekämpfen. Für die CDU gehört zu einer guten Sozialpolitik auch immer   als zweite Seite einer Medaille   eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik. 

(Zustimmung von Sven Czekalla, CDU)

Mit der aktuellen Landesregierung, mit dem Ministerpräsidenten Dr. Rainer Haseloff und dem Wirtschaftsminister Sven Schulze, und den Aktivitäten der Kommunen vor Ort ist es gelungen, zahlreiche neue Wirtschaftsansiedlungen nach Sachsen-Anhalt zu holen. Es kommt aber auch darauf an, dass wir die Bestandsunternehmen unterstützen. Dabei kommt dem Handwerk eine ganz besonders wichtige Rolle zu. 

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)

Wenn die Menschen einer Erwerbstätigkeit nachgehen, die ihnen mehr Möglichkeiten schafft, durch eigenes Erwerbseinkommen ein selbstbestimmtes Leben zu führen, dann ist das der beste Weg der Armutsbekämpfung. Die unterschiedlichen persönlichen Lebenssituationen, wie die Pflege von Angehörigen, das Leben als Alleinerziehender oder als Alleinerziehende oder eigene gesundheitliche Einschränkungen, können an dieser Stelle Hürden bilden - das ist wohl jeder und jedem hier klar. Der Staat hat hierbei die Aufgabe, die bestmögliche Unterstützung zu gewährleisten, z. B. mithilfe der Bereitstellung eines umfangreichen Kinderbetreuungsangebots, wie es im Land Sachsen-Anhalt bereits existiert. 

Bezüglich der Geschwisterregelung ist zu sagen: Wir als Unionsfraktion haben dazu schon einen Vorschlag unterbreitet und infrage gestellt, ob die Geschwisterregelung in der aktuellen Form noch angemessen ist oder ob man nicht sagen sollte: Für das jüngste Kind werden Beiträge bezahlt und das älteste Kind ist oder die älteren Kinder sind entsprechend freigestellt. 

Weitere Landesprogramme beschäftigen sich mit der Qualifikation für den Arbeitsmarkt und mit der attestierten Ausbildung für Alleinerziehende. Darüber hinaus unterstützt das Land Sachsen-Anhalt die Arbeit der Tafeln im Land, deren Arbeit inzwischen weit über die inhaltlichen Wurzeln, nämlich die Rettung von Lebensmitteln, hinausgeht. Wie viele andere von uns habe auch ich bereits die Möglichkeit gehabt, mich vor Ort über die Arbeit der Tafeln zu informieren. 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn in dem Antrag auf die gesellschaftliche Spaltung in unserem Land Bezug genommen wird, dann muss man aus meiner Sicht auch noch einige grundsätzliche Ausführungen dazu machen. Im öffentlichen Diskurs muss ich feststellen, dass es für viele Menschen offensichtlich nur noch eine Einteilung in Schwarz und Weiß gibt. Die unterschiedlichen Grautöne, die die Lebenswirklichkeit darstellen, werden kaum noch wahrgenommen. 

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Das sagen ja die Richtigen!)

Dabei spielen die sozialen Medien leider eine sehr unrühmliche Rolle. Nach meiner Lebenserfahrung lassen sich die großen Fragen häufig nicht mit einem einfachen Ja oder Nein beantworten. Vielmehr geht es darum, unterschiedliche Argumente abzuwägen und die bestmögliche Lösung zu finden. Auch hier im Hohen Hause gibt es immer wieder den Versuch, auf komplexe Probleme mit einfachsten Lösungen zu antworten. 

(Zustimmung von Kathrin Tarricone, FDP)

Doch in der Realität funktionieren diese im Regelfall nicht. Dazu gehört ausdrücklich auch, immer noch mehr Geld in das System zu pumpen und darauf zu hoffen: Mit mehr Geld lösen wir alle Probleme. Meine Damen und Herren, das funktioniert nicht. 

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU, von Thomas Krüger, CDU, und von Kathrin Tarricone, FDP)

Luther wird der Ausspruch zugeschrieben: „Dem Volk aufs Maul schauen - aber nicht nach dem Mund reden.“ In diesem Sinne sollten wir uns alle hier im Hohen Hause verhalten. Das bedeutet für mich, keine Politik zu betreiben, die einem alles verspricht, ohne die Folgen zu bedenken. Wenn wir so handeln, dann handeln wir nicht nur wider die politische und finanzielle Vernunft, sondern vergessen, was es heißt, generationenübergreifend und generationengerecht zu denken. In diesem Sinne haben wir Verantwortung im Landtag und dieser sollten wir auch nachkommen. 

(Zustimmung bei der CDU)